Sozialhilfeberechtigte Pflegebedürftige sollten nicht gegen ihren Willen in Doppel- oder Mehrbettzimmern untergebracht werden
Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt
„Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Heimgesetzes“
– Es gilt das gesprochene Wort –
„Im Zuge der Föderalismusreform ist die Rechtsetzungskompetenz für das Heimrecht vom Bund auf die Länder übergegangen. Der damalige Niedersächsische Landtag hat daher das am 06.07.2011 in Kraft getretene NHeimG verabschiedet. Zentrale Aufgabe dieses Gesetzes war und ist der Schutz der Interessen und Bedürfnisse von Bewohnerinnen und Bewohnern. Das Gesetz sollte dabei auch das Entstehen neuer Wohnformen unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, differenziert das aktuell noch gültige NHeimG zwischen selbstbestimmten und nicht selbstbestimmten Wohngemeinschaften. Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Abgrenzungskriterien in der Praxis nicht bewährt haben. Sowohl die niedersächsische Wohnungswirtschaft als auch die Verbände der Pflegeanbieter haben bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass mit diesen Regelungen die Entstehung und Weiterentwicklung alternativer Wohnformen unnötig erschwert und in vielen Fällen sogar verhindert worden ist.
Die große Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen möchte längstmöglich in einem häuslich-familiären Umfeld oder einer diesem Umfeld ähnelnden Pflegeumgebung betreut werden und nicht in einer stationären Einrichtung. In der Praxis standen nur sehr wenige Angebote selbstbestimmten Wohnens auch bei Pflegebedürftigkeit zur Verfügung. Auch die Gründung solcher bedarfsgerechter Wohnformen war den Interessenten selbst aufgrund organisatorischer und logistischer Probleme in der Praxis kaum möglich. Ziel ist es daher, die Gründung und den Betrieb innovativer selbstbestimmter Wohnformen zu erleichtern.
- Künftig haben die Anbieter von Wohnraum und die Träger ambulanter Dienste deshalb die Möglichkeit, bei der Leistungserbringung miteinander zu kooperieren oder Leistungen der Vermietung und Betreuung für einen eng begrenzten Zeitraum aus einer Hand anzubieten. Erst bei einer über ein Jahr hinausgehenden Abnahmeverpflichtung verbundener Leistungen finden die Regelungen des Gesetzes Anwendung.
Die Landesregierung ist, übereinstimmend mit weiten Teilen der Fachöffentlichkeit, der Überzeugung, dass diese einjährige Gründungsphase der wesentliche Faktor ist, um das Entstehen neuer alternativer Wohnformen entscheidend voran zu bringen.
- Die zu den ambulant betreuten Wohngemeinschaften entwickelten Grundsätze werden auf das betreute Wohnen übertragen.
- Die für alternative Wohnformen pflegebedürftiger Menschen geltenden Regelungen werden auf alternative Wohnformen für Menschen mit Behinderungen übertragen. Damit wird die UN-Behindertenrechtskonvention auch im Bereich des Heimrechts umgesetzt. Menschen mit Behinderungen werden künftig bei alternativen Wohnformen die gleichen Wahlmöglichkeiten haben, wie Menschen ohne Behinderungen.
- Menschen mit demenzbedingten Funktionsstörungen unterliegen künftig in ihrem Recht auf Leben in alternativen Wohnformen keinerlei Beschränkungen mehr.
Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf sollen optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden, um echte Pluralität im Bereich der alternativen Wohnformen entstehen zu lassen. Die Menschen in Niedersachsen werden zukünftig passgenau auf sie zugeschnittene Angebote vorfinden können. Zugleich werden sie von dem Arbeits- und Organisationsaufwand entlastet, der mit der Gründung einer Wohngemeinschaft verbunden ist und bisher nur von den wenigsten geleistet werden konnte.
Noch ein Wort zum Entschließungsantrag: Ich finde, auch sozialhilfeberechtigte Pflegebedürftige sollten nicht gegen ihren Willen in Doppel- oder Mehrbettzimmern untergebracht werden. Wir sollten hier die Würde jedes Pflegebedürftigen achten. Dies sollten alle Kommunen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung berücksichtigen.
Wir erwarten, dass Niedersachsen nun einen deutlichen Sprung nach vorn machen wird, damit die Menschen in unserem Lande künftig die gleichen Wahlmöglichkeiten und Alternativen zu einer klassischen Versorgung in stationären Heimen vorfinden werden, die den Bürgerinnen und Bürgern in anderen Bundesländern bereits heute schon zur Verfügung stehen. Dies unterstützen wir noch einmal gezielt durch die Förderung innovativer, inklusiver und gemeinschaftlicher Wohnformen mit den Mitteln unserer Wohnraumförderung.
Ich freue mich, wenn das Gesetz auch diesmal wieder von einer breiten politischen Mehrheit jenseits von Fraktionsgrenzen getragen wird.“